Masin Idriss ist Möbeldesigner. Als Ideenfinder und Querdenker plant und gestaltet er alle Arten von privat und geschäftlich genutzten Räumen. Seine Arbeitsergebnisse sind Zeugnisse individueller, maßgeschneiderter Planung und einer erstklassigen, handwerklichen Umsetzung. Idriss verbindet Möbel und Raum und schafft eine harmonische wie funktionale Einheit zwischen Architektur und Einrichtung. Unikate, die stets auf die Menschen zugeschnitten sind, die in diesen Räumen leben, arbeiten oder wohnen.
Was macht für Sie die Form eines Möbels zu einer guten Form?
Statt über die gute Form würde ich gerne über gutes Design sprechen. Gutes Design versteht sich als Synthese aus funktionalen, ergonomischen, formalen, materialästhetischen, ökologischen, nachhaltigen und weiteren Aspekten. Gutes Design sollte in erster Linie gut funktionieren. In der Anwendung, in seiner Anmutung, in der Langlebigkeit. Dies gilt für das Produktdesign im Allgemeinen wie für das Möbeldesign im Besonderen. Nur so begeistert die neue Küche, die Einrichtung des Ladenlokals oder die Ausstattung der Praxis. Solche Möbel sind werthaltig und tragen das Potenzial in sich, vererbt zu werden.
Kann man diese Kriterien auch auf einen Raum übertragen?
Auf jeden Fall, sofern Sie Ihren Job als Planer ernst nehmen und Ihrem Kunden einen wirklichen Dienst erweisen wollen. Ob Möbelentwurf oder Raumplanung, privater oder geschäftlicher Raum – in allem geht es primär um die Menschen, die den Raum und die Möbel nutzen. Nur wenn Sie die Menschen in deren Bedürfnissen und Vorlieben abholen und verstehen, werden Sie Ihnen im Planen ihrer Wohn- oder Arbeitsräume auch gerecht werden. Ein Beispiel: Wir hatten gerade ein Wohnhaus komplett eingerichtet, als ich den Architekten nach seiner Meinung fragte: Dieser meinte, dass sich sämtliche Möbel und Einbauten nicht nur harmonisch in die Architektur fügen, sondern auch die Seele der Familie abbilden würden. So etwas zu hören macht glücklich, weil es meine Philosophie und persönliche Zielsetzung exakt auf den Punkt bringt.
Was muss ein Ladengeschäft, ein Shop als Raum leisten, was zeichnet ihn aus?
Lassen Sie uns unterscheiden zwischen Shopsystemen, wie sie von großen Marken und Ketten genutzt werden, und der Einrichtung inhabergeführter Ladenlokale. Hier sollten Möbel und Einrichtung nicht nur auf das Produkt, sondern auch auf den Inhaber, die Zielgruppe und den Standort abgestimmt sein. Das macht die Gestaltung unkonventionell und besonders. Damit hebt sie sich wohltuend aus der Masse ab, weil sie individuelle Akzente setzt und eine persönliche Haltung, nämlich die des Inhabers, repräsentiert. Viele von uns beschweren sich mit Recht über die stereotype Anmutung unserer Verkaufsstraßen. Letztlich kann nur der Einzelhandel diese Tristesse durchbrechen und den Passagen mehr Individualität, Originalität und Leben einhauchen, was wiederum eine ganze Straße, im besten Fall ein Viertel zum Blühen bringt.
Wie tief muss man für eine stimmige Beratung in das Geschäftsfeld des jeweiligen
Unternehmens einsteigen?
So weit wie möglich. Da ich von Natur aus ein offener und interessierter Mensch bin, fällt es mir leicht, mich in ein Themenfeld einzudenken, mich auf Menschen einzulassen und sie in ihrer Eigenart kennenzulernen. Erst wenn ich den Menschen und sein Produkt oder seine Dienstleistung im Kern verstanden habe, kann ich ihr im Entwickeln von Einrichtungskonzepten auch gerecht werden. Das fordert natürlich erst mal Empathie, Aufmerksamkeit und Konzentration, dafür strahlt das Ergebnis dann aber auch eine ganz eigene Kraft, Energie und Langlebigkeit aus.
Welche Rolle spielt es für Ihre Entwurfsarbeit, dass Sie ein Handwerk – das Tischlerhandwerk – gelernt haben?
Da wir individuell gestalten und produzieren, spielt es eine große Rolle. Vor dem Studium eine Lehre gemacht zu haben hilft mir, die jeweilige Konzeption von vornherein produktionstechnisch auszurichten. Praktisch denken und effektiv planen, um dann nur das Substrat zu präsentieren, das auch handwerklich umsetzbar ist. Zum anderen habe ich in der Ausbildung die Sprache des Handwerks gelernt. Graduelle Unterschiede kenne ich nicht, weil ich den Handwerkern aller Gewerke auf Augenhöhe begegne. Anfangs ruft das beim ein oder anderen zwar Erstaunen hervor, aber schon in der zweiten Arbeitsbesprechung ist die Kommunikation umso offener, ehrlicher und effektiver. Dem jeweiligen Ergebnis kommt das immer zugute, weil es nicht vom »ich«, sondern vom »wir« geprägt ist.
Das Gespräch führte Armin J. Noll