Rund 130 Gästezimmer, Restaurant, Spa-Bereich, modernste Tagungsräume: In der denkmalgeschützten Klosteranlage Haydau in Altmorschen strahlt historisches Erbe in neuem Glanz. Der Umbau zu einem zeitgemäßen Tagungs- und Seminarzentrum inklusive Hotel-Neubau rückt das ehemalige Zisterzienserinnen-Kloster, das als das am besten erhaltene seiner Art in Hessen gilt, wieder in den Mittelpunkt. Dank vielfachen Engagements ist die Anlage samt ihrem weitläufigen Klostergarten aus dem Dornröschenschlaf erwacht – und heute ein lebendiger Ort der Begegnung.
Es beginnt mit einem Überfall. Landgraf Konrad von Thüringen und sein Feldhauptmann Friedrich von Treffurt zu Spangenberg erstürmen 1232 die mainzische Stadt Fritzlar, brennen sie nieder und plündern die Stiftskirche St. Peter. Als Sühne für die Belagerung bietet Friedrichs Bruder Hermann dem Fritzlarer Probst Gumbert einige Jahre später eigene Morschener Besitzungen, »die Kapelle und den dazugehörigen Boden, die Heide genannt«, an. Die kleine Kapelle stand damals schon gut ein halbes Jahrtausend in den Sumpfgebieten an der Fulda. Es soll der Missionar Bonifatius höchstpersönlich gewesen sein, der den Grundstein für das Kirchlein um 723 gelegt hat. Überliefert ist zumindest, dass der Engländer im nahe gelegenen Geismar die Donareiche gefällt und an gleicher Stelle eine Kirche errichtet hat. Wenig später soll er auch Mursna oder Morsne, das spätere Morschen, besucht haben. Legende oder nicht – fest steht, dass der Probst am 23. Januar 1225 die Übergabe des Areals um das Kirchlein, die Heide – Haydau –, an eine Gemeinschaft von Zisterzienser-Nonnen bestätigt. Als erste Äbtissin fungiert »die edle Frau Gertrude von Leimbach«, eine Freundin der heiligen Elisabeth.
Erstklassige Tagungsstätte mit wechselvoller Geschichte – Kloster, Dorfschule, Rittergut, Jagd- und Lustschloss, Staatsdomäne, Arbeitslager, Rathaus, Kulturzentrum: Die wechselvolle Geschichte der alten Gemäuer, die im Laufe der Jahrhunderte um weitere Gebäude ergänzt und teilweise auch mehrfach umgebaut wurden, bildet die Geschichte der Region und des Landes ab. Dass die Anlage samt dem weitläufigen Klostergarten heute wieder ein lebendiger Ort der Begegnung ist, ist dem Engagement vieler Beteiligter zu verdanken. Eine Unterstiftung der »Deutschen Stiftung Denkmalschutz« und die Gemeinde Morschen gehören ebenso dazu wie der 1990 gegründete Kloster-Förderverein, dessen Vorsitzender Prof. Dr. h. c. Ludwig Georg Braun ist. Die B. Braun Melsungen AG erwarb große Teile des Areals, ließ die ehemaligen Wirtschaftsgebäude – Marstall, Kutscherhaus, Klosterscheune – sowie das Herrenhaus mit Orangerie umgestalten und ergänzte die historische Anlage um das Hotel.
Ziel der Investoren: Eine erstklassige Tagungsstätte mit bedarfsgerechten Einrichtungen und kurzen Wegen zum Hotelbett zu schaffen. Auf der Suche nach der bestmöglichen Umsetzung des Hotelneubaus lobte der Bauherr einen Architekturwettbewerb aus. Die Ausschreibung forderte nicht nur ein Haus mit etwa 130 Gästezimmern, Restaurant und Spa-Bereich, sondern auch eine Einbindung in die denkmalgeschützte Gesamtanlage. So sollte etwa die Klostermauer in ihrem ursprünglichen Verlauf eingebunden werden.
Mit einem eher zurückhaltenden Konzept überzeugte schließlich das Hamburger Architekturbüro Störmer Murphy and Partners die Jury. Die denkmalgerechte Sanierung und den Umbau der Wirtschaftsgebäude übernahm – mit viel Liebe zum Detail – das Kasseler Architekturbüro Kreter, Peters, Lubenow.
37 Millionen Euro in den Standort investiert – 2009 begannen die Instandsetzungsarbeiten und die denkmalgerechten Umbaumaßnahmen an den ehemaligen Wirtschaftsgebäuden. Mit dem Ziel, das historische Anwesen zu erhalten und es nachhaltig nutzbar zu machen, investierte B. Braun inklusive des Hotelneubaus 37 Millionen Euro in den Standort. Im Zuge der Umgestaltung wurden nahezu alle nach dem 2. Weltkrieg hinzugefügten Ausbauten zurückgebaut.
Anschließend folgten eine Schadenskartierung sowie bauhistorische Untersuchungen, um die Grundlagen für die Sanierungs- und Umbauarbeiten zu ermitteln. Mit den gewonnenen Erkenntnissen der Architekten setzen die Handwerker das massive Mauerwerk mit Kalkputzen und mit historischen Konstruktionstechniken die Dachstühle denkmalgerecht instand. Die innere Tragstruktur passt sich statisch den heutigen Erfordernissen an, viel Wert legten die Planer auch auf den Brandschutz der historischen Gebäude, in denen sich insgesamt 27 moderne Veranstaltungsräume finden.
Viel Liebe zum Detail – Auch nach Abschluss der Arbeiten im Dezember 2012 bewahren die Wirtschaftsgebäude ihren ursprünglichen Charakter als großzügige Stallungen und Scheunen aus der Zeit der Renaissance. Wurde in den Hotelneubau ein Teil der Klostermauer integriert – die Mauer läuft aus dem Gelände in den Neubau hinein und auf der Nordseite wieder hinaus –, warten die heutigen Seminar- und Tagungsräume mit hochwertigem Sichtbeton in Kombination mit historischen Balken und Mauern auf. Hier ergänzt sich, was gegensätzlicher nicht sein könnte.
Der Hotelneubau bildet einen harmonischen Abschluss zum Dorf hin und öffnet sich in die Weite des Fuldatals. Ausgehend von den historischen Fragmenten der Klostermauer erhebt sich über dem Erdgeschoss ein zweigeschossiger Baukörper mit einem zurückgesetzten Staffelgeschoss. Dieser lässt respektvoll die alte Klostermauer frei durch das Gebäude fließen. Gegenüber dem zu Seminar- und Tagungsräumen umgebauten, 145 Meter langen Wirtschaftsflügel liegt der 140 Meter lange Hotelneubau um 90 Grad gedreht.
Es ist ein eindeutiges, städtebauliches Konzept, das die Grundlage für den Hotelbau am nördlichen Rand des Klosterareals bildet: den harmonischen baulichen Abschluss nach Norden und die Offenheit zum Tal nach Süden. Der neue Baukörper fasst das Gesamtgelände zusammen und lässt die historischen Gebäude, gemeinsam mit dem Neubau, wieder zu einem großräumlichen Komplex werden. Gleichzeitig schottet er die Klosteranlage zum Dorf hin ab. Durch diese Weiterinterpretation der Klostermauer entsteht innerhalb der Anlage eine ruhige, in sich gekehrte Situation.
Den Übergang vom öffentlichen Raum zum geschlossenen Klostergelände markiert das für alle offene Tor. Zum Kirchplatz zeigt sich das Hotel mit einem offenen Erdgeschoss. Optisch zieht sich die Außenfläche bis ins Foyer und ins Restaurant hinein. Der durch das Gebäude neu entstehende Kirchplatz ist das Entree für das Hotel, die Kirche und das Restaurant – ein Ort des Ankommens und Gehens, des Aufeinandertreffens von Kirchgängern, Hotelgästen und Restaurantbesuchern.
Der Wirtschaftsflügel mit Marstall, Kutscherhaus und Klosterscheune – Das heute als Tagungsgebäude genutzte Gebäudeensemble des Wirtschaftsflügels der Domänenanlage Kloster Haydau – bestehend aus Marstall, Kutscherhaus, Klosterscheune und Burggrafenhaus – wurde unter Landgraf Moritz »dem Gelehrten« (Regierungszeit 1592–1627), Sohn des Landgrafen Wilhelm IV. von Hessen-Kassel, Anfang des 17. Jahrhunderts unter Einbeziehung von Gebäudeteilen, die noch aus der Klosterzeit stammten, erbaut.
Die Klosterscheune, nördlich an das Burggrafenhaus angrenzend, wurde 1608 als zweigeschossiger Viehstall umgebaut und erweitert. In Konstruktion und räumlicher Gliederung ist der Bau bis heute weitestgehend unverändert; allerdings wurde im 19. Jahrhundert die hölzerne Stützenkonstruktion im Erdgeschoss durch Gusseisenstützen ersetzt. Das hauptsächlich als Stallung der Vogtei, aber auch als herrschaftlicher Stall genutzte Gebäude bot später zusätzliche Lagerfläche; nach 1945 bis 1974 wurde die Klosterscheune von den im Westflügel des Klosters untergebrachten Firmen mitgenutzt. Im Erdgeschoss waren zuletzt bis 2010 die Freiwillige Feuerwehr Morschen sowie die Gemeindeschreinerei und -schlosserei untergebracht; im Obergeschoss befanden sich Vereinsräume.
Das 1608 als dreigeschossige Kutschenremise zwischen den Giebeln von Marstall und Klosterscheune neu erbaute Kutscherhaus (heutiger Empfang und zentrales Treppenhaus des Tagungszentrums) diente den herrschaftlichen Kutschen als Unterstand und in den Obergeschossen dem »Hofmeister« als Wohnung. Den nördlichen Abschluss der Wirtschaftsgebäude bildet der zweigeschossige Marstall, der um 1609 als Steinbau errichtet wurde. Er wurde als Wirtschaftsgebäude und Gesindeunterkunft genutzt und ist weitestgehend erhalten. Die ehemaligen Wirtschaftsgebäude wurden im 20. Jh. entsprechend den sich ändernden Anforderungen und Nutzungen mehrfach umgebaut.
Die größten Baumaßnahmen hierbei waren der Einbau einer massiven Zwischendecke mit entsprechenden Gussstützen im Erdgeschoss der Klosterscheune um 1900, Anbauten vor dem Kutscherhaus, der Umbau des Marstalls für eine Tuchfabrik in den 1950er-Jahren sowie der Umbau von Ober- und Dachgeschoss der Klosterscheune für mehre Fernsehproduktionen des Hessischen Rundfunks Anfang der 1990er-Jahre.
Im März 2010 wurde im Zuge der Umgestaltung zum Tagungsgebäude mit den Rückbauarbeiten nahezu aller nach dem 2. Weltkrieg hinzugefügten Anbauten begonnen. Die innere Tragstruktur wurde statisch den heutigen Erfordernissen angepasst und ergänzt. Mit der Nutzung als außergewöhnlicher Tagungs- und Seminarort konnten die Häuser gerettet und für die Zukunft erhalten bleiben.
Das Herrenhaus – Im Jahr 1695 ließ Landgraf Karl von Hessen-Kassel (1670–1730) das Herrenhaus durch den Hofbaumeister Johann Conrad Giesler im Stil des französischen Barock erbauen. Als schlichter zweigeschossiger Bau bildet es in Verlängerung einer mittelalterlichen Scheune den südlichen Abschluss des ehemaligen Klosterareals. Es sollte als Witwensitz seiner Frau Amelia von Kurland (1653–1711) dienen sowie Angehörigen des Hofes bei Jagdgesellschaften eine standesgemäße Unterkunft bieten.
Nachdem es ab 1803 schlicht als Wohnung des Gärtners genutzt wurde, kam es 1807 durch eine Schenkung des König Jérôme von Westfalen an den Grafen von Malsburg. Unter Landgraf Wilhelm IX. wurde es in den Jahren 1813/14 von den Pächtern der Domänenanlage bewohnt. 1818 wurde das Herrenhaus um einen nördlichen Anbau (teilweise aus Fachwerk) erweitert. Dafür musste ein Teil der unmittelbar angrenzenden mittelalterlichen Scheune abgerissen werden. Von 1861 bis 1873 waren Wilhelm Wittmer Sohn Pächter der Domäne Heydau. Johann Pestalozzi, ein Verwandter des Schul- und Sozialreformers Johann Heinrich Pestalozzi, pachtete die Domäne zwischen 1880 und 1901 und bewohnte das Herrenhaus, genau wie die nachfolgenden Pächter Georg Ehrbeck (1901–1918), Gustaf B. Lehmann (1918–1921) sowie dessen Frau Anni Lehmann (1921–1937). Bereits 1923 entstand ein Anbau an der Tordurchfahrt zwischen Scheune und dem Herrenhaus und das Dachgeschoss des jüngeren Anbaues von 1818 wurde ausgebaut. Unter den Nationalsozialisten wurde die Staatsdomäne 1936 aufgelöst. Das Herrenhaus wurde 1937 als Unterkunft für den »Arbeitsdienst für die weibliche Jugend« und weiter bis 1945 für die nationalsozialistische Jugendorganisation »Bund Deutscher Mädel« (BDM) genutzt. Ab Mai 1945 beherbergte das Herrenhaus die Kommandantur der US-amerikanischen Streitkräfte und diente bis 1947 auch Flüchtlingsunterkunft.
Die Georg-August-Zinn-Schule nutzte das Gebäude zwischen 1961 und 1968 und noch einmal in den 1970er-Jahren für Schulzwecke. Zwischen 1981 und 1982 wurde es zum Gemeindesitz der Gesamtgemeinde Morschen umgebaut. Wegen Baufälligkeit aber musste 2004 die Gemeindeverwaltung schließlich in andere Domänengebäude umziehen (ehemaliger Schafstall, Brennerei und Wachhaus).
Ab 2004 wurde dann mit der Instandsetzungsplanung für eine Wiederverwendung als Gemeindeverwaltungssitz begonnen, aber bereits 2006 kamen erste Planungsüberlegungen zur Umnutzung des Hauses als Tagungs- oder Gästehaus der B. Braun Melsungen AG auf. Die eigentliche Planung und der denkmalgerechte Umbau des Herrenhauses erfolgten dann zwischen 2008 und 2011 im Zusammenhang der Gesamtplanung für die Domäne.
Heute befinden sich im Unter- und Obergeschoss sieben Seminarräume unterschiedlicher Größe. Alle sind mit modernster Konferenztechnik ausgestattet. Einige historische Möbelstücke aus dem Nachlass des letzten Pächterpaares sind nach sorgfältiger Restaurierung heute noch im Herrenhaus zu sehen.
Die Orangerie – Als eines der ältesten Bauwerke des Typus der barocken Orangerie in Deutschland wurde die Orangerie in Haydau zwischen 1695 und 1697 unter der Bauherrschaft der Gemahlin des Landgrafen Karl (1654–1730), Marie Amalie von Hessen-Kassel (1653–1711), und der Leitung des Kasseler Baumeisters Johann Conrad Giesler erbaut. Dem stark französisch beeinflussten Architekten Giesler werden inzwischen auch das Orangerieschloss in Kassel und die Orangerie am Karlshof in Wabern zugeschrieben.
Für den Haustypus der Orangerie als Pflanzen-Überwinterungshaus entwickelten sich ab dem frühen 18. Jahrhundert gewisse Regeln zur Bauausführung. Da die Pflanzen im Winter nur wenig Wärme benötigen, jedoch in ausreichendem Maße Licht und Luft, wurden Orangerien als massive Häuser errichtet, die sich mit großen Fenstern meist nach Süden öffnen. Große Tore gestatteten das Ein- und Ausbringen der Pflanzen. Hingegen hielt man die Nordseite bis auf wenige Lüftungsöffnungen geschlossen. Den Fußboden im Inneren führte man so aus, dass Gießwasser versickern konnte. Mithilfe von Einzelöfen oder einer Kanalheizung wurden die Pflanzenräume temperiert. Auf dem Dachboden wurden Blumenzwiebeln, Samen und gärtnerisches Gerät gelagert.
Die Haydauer Orangerie war entsprechend diesen Regeln erbaut worden. Darüber hinaus war augenscheinlich keine Nutzung zum Wohnen oder festlichen Beisammensein vorgesehen, abgesehen davon, dass dieser repräsentative Baukörper natürlich durchaus eine festliche Kulisse abgab.
An die nördliche Schmalseite der Orangerie ist das zeitgleich errichtete Herrenhaus angebaut, während ihre westliche Front den Abschluss des unteren Lustgartens bildet, der ebenfalls aus der Zeit des Orangeriebaus stammt. Der breit gelagerte eingeschossige Bau mit Walmdach überrascht an der Gartenseite mit einer anspruchsvollen Arkaden-Architektur, die mit einfachsten Mitteln – Wechsel zwischen Putz und Sandstein, Modellierung durch das Licht auf vertieften und erhabenen Flächen – ins Werk gesetzt ist.
Die auf hohem Sandsteinsockel stehenden Pilaster tragen Arkadenbögen, auf deren glatten Schlusssteinen das hohe Gebälk aufliegt. Die Pilaster-Arkatur scheint dem eigentlichen Baukörper nur vorgelegt zu sein. In der glatten hinteren Wandschicht sitzen die Fenster, die mit ihrer Fußlinie und dem Kämpfer die Höhe der Pilaster aufnehmen. Auf der Ostseite des Orangeriesaales ist ein Heizgang mit Pultdach bis zur Höhe des Gesimses angebaut. Im Innern wurde der Orangeriesaal mehrfach zu verschiedenen Nutzungszwecken umgebaut und zuletzt mit einer Querwand unterteilt. Im Grundriss sind jedoch der Saal nach Westen und der rückwärtige Heizgang erhalten.
Die Orangerie wurde, wie das Herrenhaus, zwischen 2008 und 2011 umfangreich für die Nutzung als Seminargebäude instand gesetzt. Im Zuge der Sanierungsmaßnahmen wurden ein Küchen- und ein Sanitärtrakt an der Ostseite des Gebäudes angebaut.
Autor: Klaus Schaake / Armin J. Noll