Man kennt ihn als Vater der documenta. Wenig bekannt dagegen ist seine Arbeit als Möbeldesigner. Einen Höhepunkt in Arnold Bodes Schaffen als Designer markiert dieser Sessel, der deutlich durch Vorbilder des Bauhaus’ beeinflusst ist. Er trug ihm seinerzeit den Spitznamen »Mies van der Bode« ein.
Die 1950er Jahre waren Bodes produktivste Periode als Möbeldesigner, wenngleich er fast zeitlebens Entwürfe auf diesem Gebiet machte. Weder das seinerzeit in nur geringen Stückzahlen Ausgeführte noch das Wenige, das hiervon erhalten geblieben ist, hat bislang jene Beachtung gefunden, die eine Einschätzung Arnold Bodes innerhalb der Geschichte des deutschen Designs nach 1945 ermöglicht hätte.
Arnold Bodes erste Möbelentwürfe nach dem Krieg waren auf der »Constructa « zu sehen, die 1951 als die erste bedeutende internationale Bauausstellung nach dem Krieg in Hannover stattfand. Er setzte bei der Umsetzung seiner Formideen dabei konsequent auf die neuen Materialien Kunst- und Schaumstoffe. Neue Möbel sollten leicht zu bewegen sein, den neu gebauten, in der Regel kleinen, niedrigen Räumen Weite verleihen und durch schlichte Formgebung zeitlos wirken. Doch diese Position war nicht unumstritten.
Der Möbeldesigner Arnold Bode
Arnold Bodes Möbel auf der »Constructa« fungierten als Schauobjekte im Rahmen des von ihm geplanten Ausstellungsstandes der »Korrekta-Werke GmbH«, Bad Wildungen, die den in der Frühzeit noch teurer als herkömmliche Materialien produzierten Schaumkunststoff unter anderem für Möbelpolster vertrieb. Bodes bekanntester Stuhl, der in Formvarianten bis in die 60er Jahre hinein bei der »Federholzgesellschaft« unter der Modellnummer 1801 hergestellt wurde und später zum Teil als »documenta-Sessel« oder, pejorativ, als »Mies-van-der-Bode-Sessel« bezeichnet wurde, betritt ebenfalls auf der »Constructa« erstmals die öffentliche Szene. Der Sessel besaß zunächst ein dampfverformtes Gestell aus Esche mit zwei getrennten »Korrekta«-Schaumstoffpolstern und Kunstlederbezug. Das Gestell bestand in Anlehnung an Ludwig Mies van der Rohes (*1886) »Barcelona«-Chair von 1929 aus zwei sich jeweils kreuzenden, gebogenen Kuvenpaaren, die sich jedoch nicht wie dort durchdrangen, sondern seitlich passierten und in Radius und Dimension stark von ihrem Vorbild abwichen.
Aus der Welt der Plastics
Das Unternehmen »Göppinger Kaliko« hatte das seit den späten 20er Jahren produktionsreife Verfahren zur PVC-Herstellung für Kunstleder entwickelt und noch vor dem Krieg dem IG-Farben-Konzern unter dem synonymen Produktnamen »Igelit« abgetreten. Seit 1952 bestand eine Zusammenarbeit mit den »Deutschen Werkstätten«, welche die Entwicklung der Kollektion »Dewetex-Plastics« beisteuerten und damit den Weg für eine »materialgerechte «, das heißt eine speziell auf den neuen Werkstoff zugeschnittene Entwurfsarbeit ebneten. Auf Bitten des Deutschen Werkbundes trat die Firma 1954 dieser Vereinigung bei. Von Beginn an hatten die Produzenten der »Plastics« mit Vorbehalten der Konsumenten zu kämpfen. Daher bestand die Argumentation in der Werbung und bei der Präsentation der Produkte stets in der Hervorhebung ihres »Kunstcharakters«. Dieser stilisierte den gut beratenen Konsumenten zu einem aktiv seine Umwelt gestaltenden, kulturell fortschrittlichen und auf der Höhe seiner Zeit sich bewegenden »neuzeitlichen Menschen«.
Anlässlich der Präsentation seiner nunmehr für die »Göppinger Kaliko« entworfenen Kollektion »abstracta 54« äußerte sich Arnold Bode im Hinblick auf die Aufgabe des Gestalters in der »Werk und Zeit«, dem offiziellen Organ des »Deutschen Werkbundes«: Der Gestalter habe, so Bode, »aus der gesamten geistigen Situation der Zeit eine künstlerische Form zu entwickeln, die zwar vom Material ausgeht, aber dieses steigert und neue Entwicklungsmöglichkeiten erschließt«.
Die umfassende Aufgabe heißt: zweckbewußtes, phantasievolles Experimentieren! Die Möglichkeiten sind unübersehbar groß, gehen wir unbefangen, aber mit allem Ernst an die Aufgabe. Das Ergebnis unserer Bemühung soll sein: eine freiere, gelöstere, fröhlichere Form unserer unmittelbaren Umwelt: ‚der menschlichen Wohnung‘. Arnold Bodes Kollege bei der »Göppinger Kaliko«, Prof. Max Burchartz, Folkwang-Werkkunstschule Essen, ergänzte hierzu: »Diese Decore stehen nicht nur im Einklang mit dem Material, sie stehen auch im Einklang mit unserer Zeit, mit dem Lebensgefühl und der Lebensatmosphäre der Menschen unserer Zeit. Die ‚göppinger plastics‘ korrespondieren mit der lichten, klaren Schönheit der zeitgenössischen Architektur, sie vertragen sich besonders gut mit Glas und Metall, den charakteristischen Materialien dieser Architektur«. Und er fügt rückblickend hinzu: ,,(…) wir verabscheuen die kleinlichen Winkeligkeiten mit ihren muffigen Draperien, ihrer düsteren Enge, ihrer sogenannten, uns sehr verdächtig gewordenen ‚Gemütlichkeit‘.» Vielmehr sei mit der neuen, »anmutige(n) Wohnatmosphäre« eine »klare, saubere Gemütlichkeit (…), aus der alle muffige Verstocktheit, aber auch alle gesellschaftlich-pompöse ‚Repräsentation‘ ausgeräumt ist«, gewonnen worden. Sie zeichne sich durch »eine lichte Geräumigkeit« aus, »die in dem Menschen, der sich in solchen Räumen aufhält, ein aktivierendes Gefühl der Freiheit, des Nicht-Ein-geschlossen-Seins erzeugt«.
1952 wurde die Ausstellung »Aus der Welt der Plastics« durch das »Institut für Neue Technische Form e. V.« auf der Darmstädter Mathildenhöhe mit Beteiligung von 120 Firmen durchgeführt. Sie sollte Vorbehalte bei Konsumenten und bei Teilen der weiterverarbeitenden Industrie abbauen und im Bereich der »Plastics«-Produktion die »gute Form« fördern. Die Ressentiments breiter Schichten gegen die nicht atmende Folie im Wohnbereich erwiesen sich aber, wenngleich anfangs die Verkaufszahlen nach oben wiesen, auf lange Sicht als stärker. Dies galt insbesondere für »Plastics« als Polsterbezug, der, wie es Hans Dieter Oestreich, sonst durchaus ein Befürworter der neuen Kunststoffe, 1953 formulierte, »jede Körperausdünstung verhindert und damit der Tod aller Bügelfalten ist«, sodass »ihn schon mancher im Stillen verflucht«.
Für die im Oktober 1952 in Düsseldorf stattfindende Kunststoffmesse hatte Bode den Ausstellungsstand für das Unternehmen »Göppinger Kaliko« entworfen. Zu sehen war hier neben dem bereits bekannten Gleitkufensessel erstmals ein graziler Stahlrohrstuhl. Sitzfläche und Lehne wurden dabei im Längsschnitt als autonome »Linien« aufgefasst und einander angenähert. Bodes erhaltenen Möbelstudien und Entwürfe geben den Entstehungsprozess dieser Idee wieder.
Bei der Düsseldorfer Präsentation handelt es sich um den ersten Nachweis dieser mit »Plastics« bezogenen, verformten Schichtholz-Schale. Bode griff die Idee später wieder auf und brachte den Stuhl zur Produktion: 1956 anlässlich der Ausstellung »Industrielle Formgebung aus Deutschland, Italien und Holland« im Stedelijk Museum in Amsterdam und, als Flachstahlkonstruktion, für die Bestuhlung des Deutschen Pavillons auf der XI. Triennale in Mailand, für dessen Gesamtkonzeption Bode mit der Goldmedaille ausgezeichnet wurde.
Hier präsentierte er die schon bekannten Gleitkufensessel mit »Plastics«-Bezügen. Die Zusammenarbeit Bodes mit der »Federholzgesellschaft« Kassel spiegelte in Düsseldorf die Präsentation eines Federholzstuhls, ebenfalls mit »Plastics«-Bezug, wider.
Die technische Seite eines in seinen Positionen flexiblen Sessels für den Wohnbereich war ein spannendes Thema der 50er Jahre. Zu erinnern ist neben anderem vor allem an CharIes Eames‘ »Lounge«-chair (1956) und die »Aluminium group« (1958). In frappierender Weise greift Bodes Idee indes Konzepte der 60er Jahre vorweg, etwa Yrjo Kukkapuros (* 1930) Sessel »Karuselli 412« (für Haimi Oy) von 1965. Erst zu dieser Zeit konnten dann aufgrund neuer Werkstoffe, vor allem durch den Einsatz glasfaserverstärkter Kunststoffe, komplexe Formen kostengünstiger produziert werden.
Das von Bode in eigener Art und Weise weitergedachte System der Kreuzkufengestelle scheint auch wenig später, um 1958, bei so erfolgreichen wie unabhängigen Designern wie Peter Hvidt (*1916) und Orla Molgaard Nielsen (*1907) in ganz ähnlicher Weise auf. Es handelt sich primär um ein Konstruktionsprinzip, das bei all den genannten Beispielen in jeweils spezifischer Weise umgesetzt wurde. Zu nennen wäre auch Franco Albinis (*1905) »Fiorenza«-Sessel, der 1953 bei Arflex erschien und das Stützenprinzip von Bodes leichten Stühlen für ein schweres Möbel anwendbar machte, ohne dass hierbei von direkten Übernahmen in der formalen Gestaltung gesprochen werden könnte.
Unter Beteiligung von Studenten der Kasseler Werkakademie wurden Arnold Bodes Sitzmöbel zum Teil auch unter dem Dach der »Neuen Wohnform Kassel« hergestellt. Sie fanden besondere Beachtung, da sie Schaumgummi und verformte Hölzer als »neue« Werkstoffe in neuer Form einsetzten: »Stromlinie ist ja nicht nur eben modischer Schick oder eine Art Atom-Poesie, sondern Vermeidung von Schmutz und Gefährdung, Zeitgewinn gegen Kraftverlust«.
Durch die Ausstellungen und die Verwendung in der offiziellen Werbung der »Göppinger Kaliko« für die »abstracta«-Kollektion wurden die Möbelideen Bodes weit verbreitet. Jedoch konnten sich viele, selbst den neuen Kunststoffen gegenüber positiv eingestellte Gestalter eine Kombination von »Plastics« mit dicken Perserteppichen und schweren – gar noch antiken – Möbeln nicht vorstellen. Mutig erscheint es daher, wenn die »Göppinger Kaliko« in ihrer Werbung 1954 einen Bode-Stuhl mit einer barocken Kommode und einer Skulptur von Nele Renée Bode (die nebenbei ebenfalls Entwürfe für »Plastics« lieferte) mit einem barocken Bildwerk vor »abstraktem« Streifendekor kombinierte.
Arnold Bodes Entwürfe für »Plastics«-Folien zeichneten sich durch eine besondere Art der Geometrisierung aus, wobei alternierende Streifenmuster und bewegte, unregelmäßige ZeIlenstrukturen für ihn charakteristisch wurden. Besonders erfolgreich war seine Zellenstruktur »fuge«. Sie fand im Vertrieb der »Göppinger Kaliko« breite Anwendung bei den von Bode selbst entworfenen Stuhlmodellen, bei Federholzmodellen seines Bruders Paul und selbst bei Großserienprodukten wie den massenhaft hergestellten Stapelstühlen der »ERO-Stahlmöbel GmbH Hannover«.
Auf der X. Triennale 1954 in Mailand wurde neben diesem ein weiterer Bezugsstoff der »abstracta«-Kollektion in der von Egon Eiermann gestalteten deutschen Abteilung gezeigt. Dieser zweite »Plastics«-Entwurf mit scheinbar willkürlich quergezogenen Linien und synapsenartigen« Punktverbindungen wurde unter anderem von der Firma »Gebrüder Thonet AG Frankenberg/Eder« als Möbelbezugsstoff verwendet. Verhandlungen Bodes mit dieser Firma über die Aufnahme einer Produktion seiner eigenen Stuhlentwürfe verliefen indes nicht erfolgreich. Ebenfalls erfolglos waren Verhandlungen mit der amerikanischen Firma »Fabry«, deren Vertreter bereits 1951 auf der »Constructa« in Hannover auf Bode aufmerksam geworden waren.
Selten sind Arnold Bodes Möbelentwürfe über den Status der Kleinserie oder des Unikates hinausgegangen. Ein seltenes Gegenbeispiel liefert die Übernahme von Entwürfen Bodes durch die bis in die frühen 60er Jahre hinein gestalterisch ambitionierte Firma »Domus Raumkunst«, Schwaikheim, im Jahr 1955. Bereits Bodes Stuhl mit freistehenden Armlehnen und Dreiecksgeometrie sollte bei dieser Firma in Serie gehen, doch wurde letztlich auch hier allein der bekannte Gleitkufen-Sessel mit und ohne seitliche Wangen in kleiner Serie hergestellt.
Arnold Bodes in den 50er Jahren anerkannte Bedeutung als Möbelgestalter wird schließlich durch seine Beteiligung an der Ausstellung »Industrielle Formgebung aus Deutschland, Italien und Holland« deutlich, die im Jahr 1956 im Stedelijk Museum in Amsterdam präsentiert wurde. Bode zeigte in der deutschen Abteilung verschiedene Modelle von Stahlrohrstühlen mit verformten Schichtholzschalen und einfarbigen »Plastics«-Bezügen. Die daran orientierten Umsetzungen der »Federholzgesellschaft« in den frühen 60er Jahren blieben jedoch weit hinter dem Esprit von Bodes frühen Möbeln zurück und bedienten nur noch den breiten Geschmack.
An Arnold Bodes Formstudien wird besonders deutlich, dass er sich seit Anfang der 50er Jahre vornehmlich an Vorbildern der ‚organischen‘ Formgebung orientierte. Es sind aber weniger amerikanische Entwerfer, die ihm hierbei Inspirationen boten, wenngleich etwa der in New York tätige Vladimir Kagan (Kagon Inc.) mit seinem »Contour lounge«-chair von 1955 einen Bode verwandten Umgang von Linie und Volumen aufweist. Bodes Blick scheint aber nach dem Krieg vornehmlich nach Italien gewandt gewesen zu sein. Hier sind hinsichtlich des Einsatzes neuer Materialien und der daran gekoppelten, plastischen Formgebung besonders Marco Zanusos (* 1916) Kreationen, seine seit 1951 weit verbreiteten Modelle des »Lady«-chairs beispielsweise, zu nennen.
Zanuso brachte seit den späten 40er Jahren Kunststoffgewebe als Bezug und synthetischen Schaumstoff als Füllmaterial in den Möbelbau ein und gilt seither als ein ‚Wegbereiter‘ für den Einzug des reinen ‚Industrieproduktes‘ in die Geschichte des Möbeldesigns.
Arnold Bode steht mit anderen für die deutsche Seite in diesem Bereich der Produktgestaltung ein und erwies darin bis etwa zur Mitte der 50er Jahre ein ausgeprägtes Gespür für technische und formale Neuerungen. Einigen Ideen Bodes, die jedoch sämtlich im Entwurfsstadium blieben, sind Einflüsse italienischer Formgebung in einer ganz anderen Spielart anzumerken.
Eine Serie von Studien für Stühle und Tische aus der Zeit um 1953–55 zeigt Bodes Verwandtschaft zu Carlo Mollinos (* 1905) epochemachenden Ideen der frühen 50er Jahre, etwa zu dessen Möbeln für das zwischen 1947–55 von ihm errichtete Hotel »Casa del Sole« in Cervinia. Bode folgt in diesen Studien der ’skulpturalen‘ Auffassung der organischen, biomorphen Form, indem nunmehr keine ‚Volumen‘ in schwellende oder sich einziehende »Bewegungen« geraten, sondern die Linie im Mittelpunkt der Formerfindung steht, jetzt aber »plastische « Qualität erhält. Es sind neben Mollino vor allem Dänen gewesen, etwa Finn Juhl (* 1912) oder Hans J. Wegner (* 1914), die in dieser Weise gearbeitet Eichenstuhl mit Papierkordelgeflecht von 1949 (Mod. JH 512) hinsichtlich seiner Stützenkonstruktion. Bode steht Carlo Mollinos freien Gestaltungen, zumal in der Materialwahl, das heißt in der Verbindung von Metall und Holz sowie in der Reduktion und Konzentration der Form, aber deutlich näher. Die Entwürfe Bodes zeigen dünnste, nach statischen Gesichtspunkten im Mittelbereich nur leicht schwellende Stützen, welche radikal reduzierte Schalenelemente tragen.
Die Silhouette des Möbels wirkt als eigenständige, ‚lebendige‘ Form aus ‚Tragen und Lasten‘. Arnold Bode schuf hier sicherlich seine ambitioniertesten Entwürfe. Seine Herangehensweise aus der Gestaltung der Linie, der Kontur eines Objektes im Raum wirft ein bezeichnendes Licht auf seine künstlerische Auffassung überhaupt.
Zwischen 1958 und 1963 bewohnte Arnold Bode mit seiner Familie Wohn- und Atelierräume über vier Etagen in der Kasseler Weihrauchstraße. Die Räume wurden von ihm nach eigenen Plänen gestaltet und unter anderem mit Stühlen von Arne Jacobsen (* 1902) sowie seinen eigenen Kreationen ausgestattet. Die Räume bieten einen interessanten Einblick in Bodes Gestaltungsweise seines persönlichen Umfeldes und wurden in der Fachzeitschrift »moebel + decoration « 1961 vorgestellt.
Blickt man auf die Höhe von Arnold Bodes Entwurfstätigkeit im Bereich der angewandten Kunst und des »Designs« in den 50er Jahren zurück, so ist diese untrennbar an seine Aufgaben und sein Talent als Raumgestalter für Messen und Ausstellungen und damit auch in weiten Teilen an seine Zusammenarbeit mit der »Göppinger Kaliko« gebunden.
Über »Plastics« in der umfassenden Form ihres Einsatzes in den frühen 50er Jahren sprach aber bereits am Ende der Dekade kaum noch jemand. Dennoch scheint es aus heutiger Sicht nicht unschlüssig, dass »Wohnwelten«, wie sie Verner Panton (* 1926) oder Joe Colomb (* 1930) in den späten 60er Jahren entwickelten, in diesen frühen, integrativen Raum- und Ausstattungsgestaltungen mithilfe von Kunststoffen zu einem guten Teil ihren Ursprung haben. Wie schnell und grundlegend sich ein erneuter Wandel im Formdenken gegen Ende der 50er Jahre ankündigte, belegt eine Charakterisierung Wend Fischers, der anlässlich einer Besprechung der XI. Triennale 1957 über den »weichen Stil« sagte: »Verschwunden sind all die Formen, die 1951 und 1954 als Signaturen eines ’neuen Stils‘ begrüßt und gefeiert wurden: die ‚organischen‘ Schwellungen und die ‚gelösten Kurven‘, die forcierte Asymmetrie und der wuchernde Dekor, das ‚Gewachsene‘ und die Willkür der Phantasie«. Arnold Bode lag in dieser Strömung, vollzog den Wandel jedoch mit und tat dies, wie sich zeigte, mit stilsicherem Gespür. In der Tat ist nichts schlagender als der Vergleich seiner Gestaltung des in Mailand prämierten Deutschen Pavillons mit dem Düsseldorfer Messestand von 1952. Gleiches gilt für die unausgeführten Möbelentwürfe im plastischen Stil der Italiener und Dänen im Vergleich zu seinen »abstracta«-Kreationen der ersten Hälfte der 50er Jahre.
In der Zeit während und nach den ersten beiden »documenta«-Ausstellungen hatte Bode generell nur noch gelegentlich Möbel bis zu ihrer Produktion gebracht, wenngleich eine rege Entwurfstätigkeit von ihm zunächst beibehalten wurde. Ein drehbarer, aus der Zylinderform entwickelter Sessel (Mod. 99A) der »Federholzgesellschaft« entstand auf diese Weise vor 1961. Um dieselbe Zeit griff er einen bereits Jahre zuvor entwickelten Gedanken für einen drehbaren Schalensessel (Mod. 5050) im Stile von Jacobsens »Egg«- chair von 1958 auf. Für den 1976 entstandenen Sitzungssaal der Stadtsparkasse Kassel haben sich umfangreiche Planungen erhalten. Doch stammte die Möblierung längst nicht mehr aus seiner Feder. Bodes Interessen hatten sich zu diesem Zeitpunkt bereits seit Langem anderem zugewandt, etwa Ausstellungskonzepten oder städtebaulichen Visionen.
Autor: Thomas Richter, Bearbeitung: Armin J. Noll
Arnold Bode
Möbeldesigner
Bode studierte an der Kunstakademie in seiner Heimatstadt Kassel und war danach, bis zu seiner Berufung 1930 nach Berlin, als freier Maler und Zeichner tätig. Aufgrund des nationalsozialistischen Berufsverbots als Dozent am Städtischen Werklehrer-Seminar in Berlin kehrte er 1933 zurück nach Kassel, wo er im Architekturbüro seiner Brüder tätig war und anonym Möbel entwarf und verkaufte. Nach dem Krieg übernimmt sein jüngster Bruder den amilienbetrieb und produziert nun auch Sitzmöbel nach Patenten aus der Familie. Während die dynamischen Bugholz-Entwürfe Paul Bodes den Zeitgeist der Nachkriegs-Ära einfangen, besinnt sich Arnold auf die Formsprache der großen »Bauhäusler«, was ihm kurzzeitig den Beinamen Mies van der Bode bringt.