Drei Faktoren müssen stimmen – dann kann die Citylage Treppenstraße aus ihrem Dornröschenschlaf erwachen: Erstens: Das richtige Angebot. Zweitens: Ein stimmiges Gesamtkonzept für die Präsentation. Drittens: Eine dazu passende Ausstattung der Verkaufsräume.
Bei der Neugestaltung der Verkaufsräume von Hess Optic hat der Designer Masin Idriss eine komplett durchgeplante Ladenfläche geschaffen und mit den Möbelwerkstätten Baum & Söhne einen Partner mit ins Team gebracht, der das innovative Verkaufsflächenkonzept mit einer hochwertigen und individuellen Möblierung umsetzen kann.
Die Treppenstraße und Hess Optic – das ist schon eine besondere Geschichte. Als Dr. Phil Hans Hess hier 1955 seinen modernen Laden eröffnete, stand der Firmenname bereits für eine 125-jährige Optiker-Tradition in Kassel. Das Ladenlokal setzte damals bereits Maßstäbe in Sachen Gestaltung und Ladenkonzept und daran will der heutige Inhaber Wilhelm Dombrink wieder anknüpfen.
Bis in die 80er Jahre gehörte Hess in der Treppenstraße zu den zehn größten Brillengeschäften Deutschlands. Aus dieser Zeit stammt auch das heutige Ladenkonzept mit seinen Einrichtungselementen. Da war Handlungsbedarf. Auch die in die Ladenfläche zurückgesetzte Eingangstür war ganz typisch für den Ladenbau der 80er.
Die Kundschaft von Hess Optic ist anspruchsvoll und orientiert sich an internationalen Designtrends: Neben großen Marken wie Ray Ban, Rodenstock oder Porsche werden immer mehr kleine Manufakturmarken nachgefragt. Brillen aus Naturmaterialien liegen dabei voll im Trend. Diese Brillen liefern vor allem kleine und mittelständische Manufakturen, wie die von Dieter Funk aus dem bayerischen Kinsau, der mit dem ungewöhnlichen Material Leder arbeitet, oder Thomas Meyer aus Saarbrücken, der sich auf zeitlose Titan-Brillen spezialisiert hat. Die Kultmarke Einstoffen aus Sankt Gallen fertigt Brillengestelle sogar aus Materialien wie Holz oder Stein. Zu einem zeitgemäßen Dienstleistungsverständnis gehört für Dombrink auch ein Schnellservice für Tageskunden und dazu zählen durchaus auch Besucher der Stadt: In nur einer Stunde wird, wenn gefordert, die Einstärkenbrille fertig, die Gleitsichtbrille dauert im Schnellservice nicht länger als einen Tag. Angebot und Dienstleistung stimmen also. Doch wie findet man ein neues Gesamtkonzept für die Präsentation und eine dazu passende Ausstattung der Verkaufsräume? Wilhelm Dombrink hat sich dafür mit dem Designer Masin Idriss zusammengetan und der hat für die Neugestaltung der Ladenfläche ein individuelles Konzept entwickelt und örtliche Handwerksunternehmen, wie die Möbelwerkstätten Baum & Söhne und den Fassadenbauer und Fensterspezialisten Dallwig, mit ins Boot gebracht.
»Masin Idriss arbeitet nicht nur nach designorientierten, gestalterischen Gesichtspunkten, sondern sehr bedarfsorientiert«, lobt Dombrink die Zusammenarbeit beim Projekt. »Er beobachtet die Abläufe und Bedürfnisse unserer Kunden und Mitarbeiter sehr genau und setzt diese in einer eleganten Lösung um. Dabei arbeitet er bereits im Vorfeld sehr eng mit den Handwerkern aller dazugehörigen Gewerke zusammen. Dadurch sind seine Entwürfe nicht nur zeitlos schön, sondern auch sehr zielgerichtet und praxisorientiert. Masin Idriss arbeitet zum Beispiel mit Modellen, was mir eine sehr gute plastische Vorstellung der fertigen Gestaltung ermöglicht.«
Für die neuen Verkaufsregale belässt es Idriss nicht beim Modell. Er ließ durch Baum & Söhne ein sogenanntes Mockup des Regals in echter Größe bauen, mit dem er auch die Beleuchtung testen konnte. Erst als bei gemeinsamen Gesprächen alle Details abgestimmt waren, gingen die neuen Verkaufsregale in Produktion. »Gute Möbelgestaltung ist die Mischung aus Fantasie, Planung und Produktion«, sagt Idriss. »Bei Hess Optic muss das neue Ladenkonzept neben der Philosophie des Inhabers auch Exklusivität ausstrahlen und allen funktionalen Kriterien gerecht werden.« Er entwickelt für seine Kunden immer ganz individuelle, funktionale Designlösungen, die sich im Ergebnis wohltuend von den üblichen Denk- und Vorgehensweisen abheben. Um die Designideen auf hohem handwerklichen Niveau umsetzen zu können, brauchte Idriss einen Möbelschreiner als Partner. Und den hat er bereits 2001 in den Möbelwerkstätten Baum & Söhne gefunden.
Frank Baum führt den von seinem Urgroßvater gegründeten Betrieb jetzt in der vierten Generation. In die Lehre ging der gelernte Tischler in einem »befreundeten Betrieb« – wie er es selbst ausdrückt. Zusätzliche Berufserfahrung sammelte er bei den Würzburger Werkstätten, die wie Baum & Söhne ebenfalls ein Spezialist für den Innenausbau sind. Er machte seinen Tischlermeister und ergänzte die Ausbildung um den »Betriebswirt im Handwerk«.
Urgroßvater Jakob Baum gründete 1892 seine Schreinerei in der Kasseler Altstadt und spezialisierte sich schon bald auf den Möbelbau. Es folgten als Inhaber die Söhne Heinrich und Karl. Letzterer zog 1964 mit dem Unternehmen an den heutigen Standort in der Sandershäuser Straße um. 1981 übernahm Reinhold Baum die Leitung des Familienbetriebes und übergab schließlich 2008 an Sohn Frank Baum. Frank Baum ist seit 2005 Obermeister der Schreiner-Innung Kassel.
Die Baums haben als Inneneinrichter Spuren in Kassel hinterlassen: Im Rathaus, im Staatstheater und in zahlreichen großen Unternehmen findet man ihre zeitlosen Einbauten. Darunter befinden sich auch Kleinode wie die »Salzbar« im Hotel Gude und das Restaurant »Humboldt 1a«.
Zum Erfolgsmodell gehört ein kleines Team. Frank Baum ist davon überzeugt, dass personelles Wachstum über eine gewisse Größe hinaus auf Kosten des Betriebsklimas geht. Seit 15 Jahren pendelt der Mitarbeiterstamm deshalb um die zehn Beschäftigte. Ohne den Einsatz computergesteuerter Werkzeugmaschinen ist heute allerdings kein Blumentopf mehr zu gewinnen und »ein wirtschaftliches Produzieren kaum mehr möglich«, sagt Frank Baum. »Diese computerunterstützten Herstellungsverfahren haben viele Produktionsschritte revolutioniert, fordern aber auch, dass sich unsere Mitarbeiter intensiv mit dieser Technik auseinandersetzen.«
Zum Leistungspaket gehört heute nicht nur die Möbelschreinerei und die Arbeit mit Holz, sondern auch die Oberflächenveredlung in einer eigenen Lackiererei oder die Beschichtung von Holz mit Glas, Metall, Linoleum, Leder und einer Reihe anderer Werkstoffe.
Das Projekt für die Neugestaltung der kompletten Ladenfläche von Hess Optic zeigt, wie man mit lokaler Kompetenz einen modernen Verkaufsraum schaffen kann, der einen Vergleich mit den Flagshipstores der großen Designmarken in den internationalen Metropolen nicht zu scheuen braucht. Um so ein Projekt zu stemmen, hat Masin Idriss sich für alle Gewerke lokale Handwerker gesucht, die höchste Qualität abliefern. So zeichnet Diegel Raumausstattung für die neuen Bodenbeläge verantwortlich, Tim Rohrbach und Volker Lewe haben mit ihrer SLR Agentur die LED-Displays sowie die Außenbeschriftung und die Folien im Innenraum geliefert. Schulz Lichttechnik war für die Ausleuchtung der Warenregale mit LED-Leuchten zuständig und IMMOcare hat sich um die Sanierung der abgehängten Decken und weitere konstruktive Arbeiten gekümmert.
Wie eingangs erwähnt, gehören vorgesetzte Metallbauten und zurückgesetzte Eingänge im Schaufenster zu den üblichen Bausünden im Ensemble Treppenstraße. Deshalb kommt der Gestaltung der Fenster und der Fassade eine zentrale Bedeutung beim Umbau zu. Dafür war der Metallbauer Dallwig, der sogar auf eine über 200 Jahre alte Firmentradition in Kassel zurückblicken kann, der richtige Partner: Denn die Fassade sollte im 50er-Jahre-Ensemble leicht wirken und nicht wie ein Fremdkörper vor der Architektur sitzen. Mit einem maximalen Glasformat von von 4 mal 2,85 Metern Metern öffnet die Lösung von Dallwig die Fassade für einen freien Blick auf die Verkaufsfläche. Das neue Schaufenster – so eine Verglasung wiegt stolze 550 Kilogramm – mit seinen schmalen Rahmenprofilen ist jetzt wieder Teil der architektonischen Struktur und wird so ein Stück weit zum Pilotprojekt für all die anderen Aluminiumfassaden in der Treppenstraße, die noch auf ihren Rückbau warten. Die Gestaltung des neuen Shops für Hess Optic zeigt Ladenbau auf der Höhe der Zeit und bringt einen Hauch von Fifth Avenue auf die Treppenstraße. Bei Hess heißt es jetzt: Die Kunden können kommen!
Autor: Armin J. Noll | Fotos: Werner Maschmann
Beteiligte Firmen:
www.hess-kassel.de
www.masin-idriss.com
www.baum-moebel.de
www.diegel-raum.de
www.dallwig.de
www.slr-agentur.de
www.immocare.de