Seit Tore Pape sich im Jahr 2008 selbstständig machte, nach einem Jahrzehnt der fruchtbaren Mitarbeit im renommierten Kasseler Architekturbüro Bieling + Bieling, ist kein Jahr vergangen, in dem der aus Alfeld/Leine stammende Entwurfsprofi nicht mindestens einen Wettbewerb gewonnen hat – in einigen Jahren waren es gleich drei. Was in Zeiten vorzugsweise europaweiter Ausschreibungen heute kaum noch einem Architekten gelingt, sieht Pape als Erfolg der von ihm und seiner Büropartnerin und Ehefrau Ulrike Pape vertretenen Grundphilosophie: der jedem Entwurfsprozess zugrunde liegenden Frage, wie ein zu planendes Bauwerk sich am besten in seinen Ort einfügt – und zugleich ehrlich, klar und geradlinig ist.
»Man muss schon sehr breit gefächert denken, wenn man den Weg des Architekten wählt«, sagt Tore Pape, »denn es gibt einfach viele Parameter, die bei der Planung eines Gebäudes berücksichtigt werden müssen.« Dass dabei derzeit insbesondere die Aspekte Energie und Nachhaltigkeit im Fokus stehen, betrachtet der Architekt mit durchaus gemischten Gefühlen: »Dass ein Gebäude nachhaltig und ressourcenschonend entwickelt werden muss, steht außer Frage.« Den sich in den letzten Jahren entwickelnden »Dämmwahn« sieht Pape jedoch kritisch: »ein Hype, bei dem viele architektonische Werte, die ein Bauwerk ausmachen sollten, auf der Strecke bleiben – insbesondere im Hinblick auf die Umsetzung einer Baukultur.«
Was dieser Begriff – ernst genommen – bedeuten kann, benennt Tore Pape präzise: »Bauwerke zu entwickeln, die eine Wertbeständigkeit in ihrer Gestalt und Materialität aufweisen und von denen man auch in 50 Jahren noch sagen kann, dass sie modischen und vergänglichen Zeiterscheinungen standgehalten haben. Das muss unser Anspruch sein.« Eine Grundposition, die ihm nach seinem Studium in Kassel insbesondere in der sich anschließenden Praxisdekade bei Bieling + Bieling zugute kam, wo er schnell Verantwortung übernehmen und an der Entwicklung zahlreicher anspruchsvoller Bauprojekte und Wettbewerbe prägend mitwirken konnte. »Ich bin sehr dankbar dafür, dass ich in diesem Büro die Chance bekommen habe, eine solche Position zu bekleiden«, sagt Pape. »Insbesondere die respekt- und vertrauensvolle Zusammenarbeit mit Büroinhaber Thomas Bieling hat mir dabei sehr geholfen.«
Spektakuläre Aufgaben mit Glücksmoment
Die Chance, ein eigenes Büro zu eröffnen – zunächst betitelt als Pool 2 Architekten –, ergab sich für Tore Pape 2007 durch den Gewinn des Wettbewerbs für den Busbahnhof Unna. Pape entwarf eine 100 Meter lange, zeichenhafte Dachskulptur aus hochwertigem Lärchenholz – bei Baukosten in Höhe von 5,5 Millionen Euro, die bei Nacht durch ein integriertes Lichtkonzept stimmungsvoll in Szene gesetzt wird und längst zu einem Wahrzeichen der Stadt geworden ist.
»Das war für mich sicher die Initialzündung«, so Tore Pape. »Vorher hätte ich nicht gedacht, dass ich jemals in meinem Leben Busbahnhöfe bauen würde. Aber bei derart extrovertierten Sonderbauten hat man als Architekt die Möglichkeit, auf sein noch junges Werk aufmerksam zu machen.« Sein erstes eigenes Bauprojekt zu realisieren habe ihm »schon sehr viel Spaß bereitet und für den ein oder anderen Glücksmoment gesorgt.« Mittlerweile realisieren pape
+ pape neben vielen anderen Bauaufgaben bereits ihren dritten Busbahnhof.
2008 gewann das Büro den Wettbewerb für das Besucherzentrum im Brückenpark Müngsten, gelegen am Fuß von Deutschlands höchster Eisenbahnbrücke. Das 2010 fertiggestellte, zweigeschossige Gebäude besteht aus einer Gebäudehülle aus rostrotem wetterfestem Baustahl und beinhaltet neben der Besucherinformation auch einen großen Restaurant- und Veranstaltungsbereich. 2009 gelang es Pape, den Wettbewerb für die Besucherplattform des sagenumwobenen Drachenfelsen in Königswinter für sich zu entscheiden. Bei lediglich 9,4 Millionen Euro Baukosten und vor allem aufgrund seiner exponierten Lage hoch über dem Rhein wohl die schwierigste und anspruchsvollste Bauaufgabe bisher. Das Plateau war durch eine massive Bebauung aus den 70er-Jahren komplett zugestellt. »Unser Ansatz war es, das Bauvolumen entscheidend zu verringern und den atemberaubenden Blick in das Rheintal sowie in den Naturpark Siebengebirge wiederherzustellen und neu zu inszenieren.«
Dass dies offenbar auch in den Planungs- und Abstimmungsprozessen sehr gut gelungen ist, belegen die diesjährigen Auszeichnungen mit dem »Stiftungspreis lebendige Stadt« als Deutschlands vorbildlichstes öffentliches Bauprojekt sowie die Honorierung als »vorbildliches Bauwerk des Landes Nordrhein-Westfalen«. Sowohl das Besucherzentrum Müngsten wie auch das Drachenfelsplateau in Königswinter zählten dabei zu den vom Land Nordrhein-Westfalen unterstützten Projekten und Wettbewerbsverfahren im Rahmen des Strukturfördermaßnahme »Regionale«.
Ausgezeichnete Architekten, ausgezeichnete Architektur
Dass die qualitätvolle und verantwortungsbewusste Ausarbeitung der eigenen Projekte für pape + pape eine entscheidende Rolle spielt, spiegelt sich in weiteren Auszeichnungen wie dem German Design Award (Special Mention), dem Deutschen Lichtdesign-Preis 2015 für das Drachenfelsplateau sowie der Auszeichnung vorbildlicher Bauten für den Busbahnhof Unna und das Besucherzentrum Müngsten wider. Besonders stolz ist Pape allerdings auf die persönlichen Förderpreise für »Junge Künstlerinnen und Künstler des Landes Nordrhein-Westfalen« sowie die beiden Nachwuchspreise »max40 des BDA Hessen« und »max45 des BDA Niedersachsen«, Papes ursprünglicher Heimat. »Als Kasseler Büro haben wir mittlerweile unsere Tätigkeitsschwerpunkte in Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen«, wie Tore Pape erläutert. »Wir fühlen uns dort sehr wohl und unsere aktuellen Bauprojekte – unter anderem in Unna, Gummersbach, Hildesheim und Hannover – bereiten uns viel Freude, nicht zuletzt weil die Menschen uns und unseren Projekten gegenüber sehr aufgeschlossen sind und wir seitens der Verantwortungsträger die nötige Unterstützung erhalten.«
Stetig Aufträge durch Wettbewerbe
Eine ähnliche Wahrnehmung in Kassel bzw. in der Region Nordhessen hätte für das hier ansässige Büro sicher auch seinen Reiz, doch dafür scheint zunächst wohl noch ein langer Atem erforderlich, obwohl der Erfolg bereits zum Greifen nahe war: Gewonnen wurde von Tore Papes Team unter anderem der Wettbewerb zum Bau des Strandbades Twistesee – dessen Realisierung aber schließlich nach einem »fragwürdigen Verfahren bei einem europaweit ausgeschriebenen Wettbewerbsverfahren ausgerechnet einem Büro aus Bad Arolsen zufiel. Wir wurden als erster Preisträger nicht einmal zu einem Verhandlungsgespräch eingeladen – irgendwann hat man uns dann die Entscheidung mitgeteilt.« Auch der prominente Wettbewerb zum Bau der Kasseler GRIMMWELT wurde zunächst von Papes Büro gewonnen – um dann doch durch den Entwurf des Zweitplatzierten ersetzt zu werden. »Wir haben vom Grundsatz her ein anderes Konzept verfolgt, welches das Gebäude klein gehalten und den Park auf dem Weinberg erlebbar gemacht hätte. Die nun realisierte Lösung schottet den Park stark ab.« Selbstverständlich habe das neue Museum große Qualitäten in der Umsetzung der gewollten Erlebnisarchitektur. »Ein sehr gutes Gesamtergebnis. Die Entscheidung gegen unseren Entwurf hat uns dennoch dramatisch getroffen. Insbesondere den Umgang der eigenen Stadt mit einem ersten Preisträger empfanden wir bestenfalls ernüchternd«, wie Tore Pape bekundet.
Aufgrund der sehr guten Auftragslage war es die logische Konsequenz, dass Papes Ehefrau Ulrike 2012 in die Geschäftsleitung des Büros einstieg, das seit Ende 2014 unter dem Namen »pape + pape architekten« firmiert. »Es war uns wichtig, dass man aufgrund des Büronamens auch auf die Personen dahinter schließen kann.«
Im Jahr 2014 gewann das Büro den hochkarätig besetzten Wettbewerb für die Marstallbebauung in Hannover. Bereits die Tatsache, dass das Büro »zu den lediglich zwölf eingeladenen Teilnehmern gehörte«, was die Gewinnchancen – bei sonstigen Wettbewerben mit zumeist mehr als 50 Teilnehmern – schon deutlich erhöhte, zeuge »von einer hohen Wertschätzung seitens der Stadt Hannover«, berichtet Tore Pape. »Es sind unglaublich viele gute Büros im Wettbewerbswesen unterwegs, denn das bietet praktisch die einzige Chance für junge Büros, Aufträge zu generieren. So stammen etwa bei uns um die 80 Prozent aller realisierten Projekte aus Wettbewerbserfolgen«.
Kraftvoll, skulptural und klar
Wettbewerbe böten aber zudem noch einen anderen entscheidenden Vorteil, wie Pape erläutert: »Mit dem Wettbewerbsergebnis hat man eine von allen Beteiligten anerkannte Basis geschaffen. Das bedeutet zugleich, dass man in den meisten Fällen nicht mehr in grundsätzliche Diskussionen über Qualitäten, Materialien und Kosten einsteigen muss. Wettbewerbe bieten in jeder Hinsicht die beste Möglichkeit, um anspruchsvolle Bauaufgaben qualitätvoll umzusetzen«.
Bei privaten Auftraggebern bzw. Direktbeauftragungen stelle sich diese Situation etwas anders dar. »Der Architekt von heute genießt bei Weitem nicht den souveränen Status wie der Baumeister vor einhundert Jahren. In einer Zeit, in der die meisten Menschen glauben in der Lage zu sein, fast jede gestalterische Entscheidung selber treffen zu können, gerät das Gesamtergebnis oftmals in Gefahr.« Dies zeige auch die fragwürdige Qualität vieler aktueller Neubauprojekte: »Es entstehen leider viel zu häufig gesichtslose, ausdrucksarme Putzkisten, die ohne jedes gestalterische Verständnis bezugslos in ihre Umgebung gepflanzt werden. Oft wirken diese Gebäude wie Fremdkörper, weil sie ohne eine sensible und maßgebende Gliederung und Bezugnahme auf ihre unmittelbare Umgebung nicht in der Lage sind, sich einzufügen. Hier sind insbesondere die Städte gefordert, bessere Mechanismen zur Reglementierung des willkürlichen Bauens zu entwickeln.«
Obwohl – vielleicht gerade auch aus dieser Erfahrung heraus – speziell dem Einfamilienhausbau eher weniger zugeneigt, konnte das Büro pape + pape architekten mit dem in exponierter Hanglage hoch über dem Rhein gelegenen Wohnhaus Bacharach nicht nur seinem eigenen Anspruch gerecht werden, sondern hinterließ auch zufriedene Bauherrn: »Alle sind sehr glücklich, auch wenn das Ganze mit einem sehr hohem Aufwand verbunden war – aber der gestalterische Wille stand dabei bei allen im Vordergrund«, so Tore Pape über das 2014 fertiggestellte Gebäude, »das die Massivität und Geborgenheit eines Natursteinhauses mit der Leichtigkeit und Eleganz moderner Glasarchitektur verbindet« und ebenso der Grundphilosophie des Büros entspricht: »Denn das Ziel ist immer die Selbstverständlichkeit, mit der ein neues Bauwerk den Ort besetzt«, sagt Ulrike Pape, die in Kaiserslautern und Braunschweig studierte, bevor sie ihren späteren Mann im Kasseler Architekturbüro Bieling + Bieling kennenlernte, bei einem gemeinsamen Projekt. »Eine große Rolle spielt für uns auch immer die Wahl der Materialien und das Spannungsfeld von Form, Masse und Transparenz«, so die Architektin. »Wir legen uns dabei nicht auf eine bestimmte Typologie oder eine klar erkennbare Architektursprache fest, sondern achten insbesondere auf den Ausdruck eines Bauwerks in Verbindung mit seinem Standort.« Das spiegele sich dann in der gewählten Typologie, dem äußeren Erscheinungsbild und den individuellen Materialien wider. Ulrike Pape weiter: »Das Resultat sind oftmals kraftvolle, skulptural und sehr klar anmutende Gebäudefiguren.«
Autor: Jan Hendrik Neumann
Wettbewerbe und Projekte
Busbahnhof Unna
Wettbewerbserfolg 2007, Fertigstellung 2010
Neues Wahrzeichen für die Stadt Unna: Leicht schwebt die 100 Meter lange Dachskulptur über einer V-förmigen Stützenkonstruktion aus Stahl. In den Boden eingelassene Einbau-Uplights bringen die warmen Holzflächen zum Leuchten. Im November wird das Bauwerk als vorbildlicher Bau des Landes Nordrhein-Westfalen ausgezeichnet.
Drachenfelsplateau Königswinter
Wettbewerbserfolg 2009, Fertigstellung 2013
Hoch über dem romantischen Rheintal liegt der sagenumwobene Drachenfels. Das von pape + pape neu gestaltete Aussichtsplateau ersetzt die massive Bebauung aus den 70er-Jahren. Die Leichtigkeit des Ortes ist aus dem gläsernen Restaurantgebäude erfahrbar. Der denkmalgeschützte Bau im Hintergrund wurde zu einem Konferenzgebäude umgebaut. Rechts die Bergstation der Drachenfelsbahn.