Seit über 150 Jahren wird Holz für die Stuhlfertigung gebogen. Das technologische Verfahren schuf die Grundlage für den Firmenerfolg. Die Idee, dass man auch Stahlrohr wie Holz biegen kann, hat die Möbelmanufaktur schließlich in den 1920er Jahren mit den führenden Designern des Bauhauses zusammengebracht. Noch heute bilden die beiden Ausgangsmaterialien Buchenholz und Stahlrohr die Basis für die Möbelfertigung in Frankenberg an der Eder.
Michael Thonet experimentierte 1819 in seiner Werkstatt in Boppard mit neuartigen Holzbiegetechniken. Den Durchbruch verschaffte ihm 1859 der sogenannte Wiener Kaffeehausstuhl – der Stuhl Nr. 14. Durch das neue Verfahren konnte erstmals ein Stuhl industriell hergestellt werden, denn er ließ sich vollständig in seine Einzelbestandteile zerlegen. Der Fertigungsprozess läuft in etwa so ab: Das Ausgangsmaterial Rotbuche wird zuerst zu einem Rundstab gedrechselt. Dank der kurzen Holzfasern ist Buchenholz sehr stabil und eignet sich besonders gut für das Bugholzverfahren. Der Faserverlauf ist für den Biegevorgang von großer Bedeutung: Biegt man gegen die Faserstruktur, bricht das Holz. Bei mehr als 100 Grad Celsius werden die Hölzer gedämpft. Etwa sechs Stunden bleibt das Material unter Druck im Dampfkessel. Durch diesen Druck wird der Wasserdampf in das Holz gepresst, bis es schließlich gesättigt ist. Die hohe Temperatur macht den Buchenstab extrem elastisch – die wichtigste Voraussetzung für den anschließenden Biegevorgang.
Der Holzstab wird nun in die Form gelegt. Mit vollem Körpereinsatz werden die beiden Seiten des Stabes jeweils um 70 Grad nach innen gedreht. Um die leichte Außenwölbung der Hinterbeine zu erzeugen, werden die Endstücke des Stabs daraufhin entgegen der Biegerichtung gezogen. Danach wandert das Holz zwei Tage in die Trockenkammer. Als Nächstes wird die Oberfläche geschliffen, bis sie samtweich ist, und anschließend mit den anderen Teilen zu einem fertigen Stuhl montiert.
Das zweite Grund-Material im Thonet-Programm bildet Stahlrohr. Marcel Breuer hatte am Bauhaus schon seit 1925 mit kalt gebogenem Stahlrohr experimentiert, wodurch der Effekt des frei schwingenden Stuhles erst möglich wurde. 1926 gestaltete der holländische Architekt Mart Stam den Freischwinger, der heute noch als S 33 im Programm ist. Erst das neue Material, kalt gebogenes Stahlrohr, macht den Effekt des freien Schwingens möglich. Der Komfort entsteht durch die Federung des Stahlrohrs, die aufwändige Polsterungen überflüssig macht.
Das hochwertige Präzisionsstahlrohr kauft Thonet für seine Möbel in der Schweiz. Es misst 25 Millimeter im Durchmesser und hat eine Wandstärke von 2 Millimetern. Im ersten Arbeitsschritt wird es vorgeschliffen, danach kalt über die jeweiligen Biegeformen gebogen, erneut geschliffen und schließlich verchromt. Zum Schluss wird jedes Strahlrohr von Hand nachgerichtet. Für die Untergestelle der Linie »Pure Materials« wird der Stahl zusätzlich zum Verchromen auch vernickelt. Dadurch entsteht mit der Zeit auf der Oberfläche eine natürliche Patina – ein gewollter Effekt.