Kann jemand, der sich den ganzen Tag mit so kleinen Dingen wie Zähnen beschäftigt, trotzdem ein guter Architekturfotograf sein?
Dr. Uwe Thon arbeitet eigentlich als Zahnarzt in Melsungen, sicherlich mit einem architektonisch interessanten Blick auf das alte Rathaus und die umgebenden Fachwerkhäuser. Trotzdem (oder deshalb) hat er ein Faible für moderne Architektur und für Fotografie, zwei Hobbies, die man gut miteinander kombinieren kann.
Das Interesse für Fotografie wurde bei Uwe Thon schon im Alter von etwa 10 Jahren geweckt. Die erste Kamera war »irgend so eine alte Kodak Instamatik, deren einzige Einstellmöglichkeit ein Schalter mit Sonne und Wölkchen war«. Es wurden praktisch alle Urlaube und Veranstaltungen geknipst, die ihm vor die Linse kamen. Und dank des Fotokurses an der Schule wurde er schnell mit den Grundlagen vertraut. Dass sich mit dem manuellen Einstellen von Blende und Belichtungszeit und dem Spiel mit der Tiefenschärfe später ein ausgezeichneter Architekturfotograf entwickeln würde, war nicht abzusehen. Viele Jahre weiter sehen wir das Ergebnis auf diesen Seiten der OKTOGON. Uwe Thon ist in der Fotografie angekommen.
Die rasante Entwicklung der Digitalfotografie war der entscheidende Start für Uwe Thon. Das Jahr 1999: Wer 2 Megapixel sein Eigen nennen wollte, der musste 2.000 DM dafür zahlen. So einfach war es. Ab diesem Zeitpunkt schoss unser Fotoenthusiast Bilderserie um Bilderserie. Warum es damals so richtig zwischen der Fotografie und Uwe Thon funkte, erklärt er so: »Faszinierend an der Digitalfotografie ist eben, dass man mit dem Bild anschließend noch mehr machen kann als im analogen Bereich, wo nur abwedeln und nachbelichten möglich war. Auch auf die Gefahr hin, dass dies manchen Puristen überhaupt nicht schmeckt: »Die digitale Nachbearbeitung macht mindestens so viel Spaß, wie das eigentliche Fotografieren«.
Schussbereit
Einen guten Fotografen macht sicher auch aus, dass er spontan reagieren kann. Hierbei sind moderne Techniken für Uwe Thon Standard und er schreckt auch vor der Qualität von Smartphones nicht zurück. Schließlich können deren Fotos noch mit Apps wie Hipstamatic oder Instagram kreativ bearbeitet werden, sodass selbst diese »Schnellschüsse« noch ihren ganz eigenen Charme versprühen. Und wenn die Ansprüche höher werden, dann ist noch eine handliche Systemkamera immer am Mann. Bei den Fotos schließlich, die wir in dieser Ausgabe der OKTOGON präsentieren, muss es aber eine digitale Spiegelreflexkamera plus mehrere Objektive, einen Satz Speicherkarten und natürlich ein Stativ sein. Sein aktuelles Lieblingsobjektiv übrigens ist ein Canon-Weitwinkel mit der Brennweite 10–22 mm, da es, laut Thon, kaum Verzeichnungen und eine exquisite Bildqualität bietet. Wer möchte ihm beim Betrachten seiner außergewöhnlichen Bilder da widersprechen?
Original oder Fälschung?
Wenn wir Uwe Thons Bilder auf uns wirken lassen, dann fühlt man geradezu den Raum, spürt hautnah die Architektur. Ein Grund dafür: die Nachbearbeitung. Wenn das Motiv perfekt gewählt ist und wirklich alles Weitere gleichfalls dem Auge des Fotografen entspricht, dann können die so entstehenden Fotos in der Bearbeitung am Computer noch mehr Kraft entfalten. »Alle meine Bilder sind nachbearbeitet, und es gibt auch viele Bilder in unterschiedlichen Bearbeitungen – dabei kann manchmal etwas völlig Gegenteiliges entstehen. Auch verleiten einen bestimmte Motive dazu, mit speziellen Filtern und Abmischungen zu arbeiten. Viele Bearbeitungen entstehen zuerst im Kopf und werden dann mit viel Lust und Laune gesteuert.«
Das Motiv
Spontanes Fotografieren macht Spaß, aber wer sich für lohnenswerte Bilder interessiert, der kann auch ganz zielgerichtet planen. Dabei hilft eine kurze Recherche beispielsweise zum Urlaubsort und man findet die interessanten Motive abseits der üblichen Motive. Für Architektur-Fans empfiehlt Uwe Thon die Webseite www.mimoa.eu – dort findet man eine umfangreiche Datenbank zu moderner Architektur einschließlich Adressen und Lageplänen.
Bleibt noch das Wann. »Am schönsten sehen die meisten Motive im Zwielicht der blauen Stunde aus, deshalb sieht man mich öfters abends oder noch lieber morgens in der Dämmerung mit meinem Equipment durch die Gegend schleichen. Und falls das Licht nicht gefällt, komme ich auch am nächsten Tag erneut. Wirklich schlimm sind die verpassten Chancen, wenn man nur ein Tag an einem bestimmten Ort ist, und dann das Licht nicht passt.«
Wenn Sie sich nun aufgerufen fühlen, auch einmal den Finger an den Auslöseknopf zu legen – werfen Sie vielleicht zuerst noch einen Blick auf die Empfehlungen von Uwe Thon: »Bernd und Hilla Becher sind die Ikonen der Architekturfotografie, diese Klarheit und Präzision ihrer Aufnahmen ist einfach unübertroffen. Eine komplette Werkchronologie ist im Internet unter phogra.de zu finden. Und mein aktueller Lieblingsfotograf ist Ronny Behnert«.
Mehr Fotos von Uwe Thon