Das Kasseler Büro GTL Gnüchtel Triebswetter Landschaftsarchitekten positionierte sich schon früh auf nationaler wie internationaler Ebene. Durch kreative Ansätze, nachhaltige Lösungen und die behutsame Einbeziehung der Umgebung gestalten die Landschaftsplaner von GTL nicht nur Freiräume, sondern schaffen zugleich Freiheitsgrade für die Menschen, denen diese Räume zugedacht sind. Eine Aufgabe, der in der heutigen, schnelllebigen Zeit eine immer größere Bedeutung zukommt, denn gerade in urbanen Räumen wächst die Sehnsucht nach Natur.
»Der Blick ging schon früh über den Tellerrand hinaus«, wählt Michael Triebswetter, Inhaber des Kasseler Büros für Landschaftsarchitektur GTL, ein geflügeltes Wort, um die Anfänge seines 1991 gegründeten Büros zu beschreiben. »In Kassel sind wir lange wenig zum Zuge gekommen, richtig los ging’s hier, abgesehen von den Freianlagen für die Bruderhilfe, erst mit den koordinierenden Tätigkeiten beim Umbau des Königsplatzes in den Jahren 2000 bis 2004 nach dem Abriss der Treppe.« Wirklich überraschend kamen die Startschwierigkeiten in der neuen Wahlheimat für den Landschaftsarchitekten aber nicht.
Als er sich den lange gehegten Wunsch von der Selbstständigkeit erfüllte, tat er das zusammen mit Markus Gnüchtel, der sich inzwischen in den Ruhestand verabschiedet hat, in Kassel. »Ich war fremd hier und verfügte über keinerlei Kontakte«, erinnert er sich an die Gründungsjahre von GTL. Daher richtete Triebswetter den Blick über den sprichwörtlichen Tellerrand hinaus und realisierte zunächst viele Projekte außerhalb: »Es war ein schneller Start aus der ‚Provinz‘ in die große weite Welt, wofür Kassel mit seiner zentralen Lage im Herzen Deutschlands eine gute Ausgangsposition bot.« Früh hat man angefangen, international zu arbeiten, wobei die ersten Aufträge eher dem Zufall entsprangen. »Wir haben die Masterplanung für ein karibisches Resort übernommen«, erzählt Triebswetter von den Anfängen. Das sollte der Startschuss für zahlreiche weitere Projekte rund um den Globus werden.
So gewann GTL Ende der 90er Jahre zusammen mit Sebastian Knorr Architects einen weltweit offenen Wettbewerb für Pier 40 in New York, bei dem man sich unter knapp 300 Teilnehmern durchsetzen konnte. Zwar wurde das Projekt nach langwieriger Planungsphase nicht umgesetzt, doch »war es eine tolle Erfahrung und half, den eigenen Horizont zu erweitern«, wie Triebswetter rückblickend festhält. Dem Projekt habe er nicht lange hinterhergetrauert, denn umgehend folgten die nächsten Aufgaben. Viele davon in Asien, wie beispielsweise die Außenanlagen für die Standorte von Infineon in Taipeh, Singapore und Suzhou oder der 20 Hektar große Park um das Forschungszentrum von Huawei in Nanjing.
Überhaupt verfügt GTL über ein engmaschiges Netzwerk von renommierten Architekten, denn »nur wenige Bauherren suchen selbst nach einem Landschaftsarchitekten, in der Regel erfolgt der Auftrag über eine Kooperation mit den Architekturbüros«, erläutert Triebswetter. Diese Zusammenarbeit in der »Planer-Community« verlaufe in aller Regel sehr konstruktiv, bisweilen aber auch impulsiv: »Man inspiriert sich gegenseitig und diskutiert intensiv, wo ein Baukörper platziert werden soll. Umgekehrt läuft es in puncto Landschaftsarchitektur ebenso.« In enger Abstimmung mit den Architekten gilt es aber zunächst, eine zentrale Frage zu beantworten: Was ist die richtige bauliche Antwort für den jeweiligen Ort? Schließlich gestaltet GTL Orte für Menschen, was Michael Triebswetter wie folgt konkretisiert: »Ob zentraler Stadtplatz oder Unicampus, ob Firmenzentrale oder öffentlicher Park – wir gestalten nicht nur Freiräume, sondern schaffen zugleich gewisse Freiheitsgrade für die Menschen, die diese nutzen.« Als Beispiel nennt er die Außenbereiche der Münchener Infineon-Konzernzentrale. Das 2005 fertiggestellte Großprojekt ist quasi ein »Neubau auf der grünen Wiese«. Wobei der Begriff des »Neubaus« die Dimension dieses Projektes nicht ansatzweise erfasst. Vielmehr wurde vor den Toren der Metropole auf einem über 60 Hektar großen Areal eine Bürowelt für 7.000 Mitarbeiter geschaffen. Das entspricht dem Neubau einer kompletten Kleinstadt. »Das als großzügige Campus-Anlage ausgestaltete Konzerngelände verzichtet bewusst auf eine städtebauliche Großstruktur, orientiert sich stattdessen mit dem Typus der ‚modularen Villa‘ am Erfahrungsmaßstab des Menschen im städtebaulichen Gefüge«, erläutert der Landschaftsarchitekt. Für den Laien übersetzt heißt das, dass auf dem Areal Gebäude, Plätze, Straßen, Gassen, Höfe und Parks in aufgelockerter Gestaltung angeordnet sind.
Ringförmig um den eigentlichen Bürostandort angeordnet, verbindet eine 20 Hektar große Teichanlage Arbeitswelt und umgebenden Park. Sie bietet nicht nur den Mitarbeitern die Möglichkeit einer kleinen Auszeit vom Arbeitsalltag, sondern dient auch den Bürgern zur Naherholung. Mit seinen vielfältigen Außenanlagen verfügt der Konzern-Campus über eine gegenüber der sonst ausgeräumten Agrarlandschaft einzigartige Biodiversität. Doch galt es bei diesem Projekt auch viele »weiche« Faktoren zu berücksichtigen, etwa die Corporate Identity und das Corporate Design betreffend. Von »Corporate Landscape« spricht Michael Triebswetter in diesem Zusammenhang und meint damit die zunehmenden Investitionen von Unternehmen in die Landschaftsarchitektur, die sich wiederum an die Corporate Identity der Unternehmen annähert. »Damit vollzieht sich ein Brückenschlag zwischen einem strategischen Managementinstrument und der Profession der Landschaftsarchitektur«, hat Triebswetter einen Trend erkannt.
Zu guter Letzt gilt es zu berücksichtigen, dass »die Konzernzentrale mit ihrer Außenwirkung die Visitenkarte des Unternehmens ist«, erklärt der Landschaftsarchitekt und führt aus: »Kommt ein frischgebackener Harvard-Absolvent zum Vorstellungsgespräch, soll er gleich beim Anblick der abwechslungsreichen Campus-Anlage sagen: Das ist ein ganz besonderer Ort, hier will ich arbeiten!«
Besondere Orte zu gestalten zählt zu den Ansprüchen der Landschaftsplaner von GTL, die wissen: »Will man etwas Besonderes schaffen, muss man sich etwas einfallen lassen.« Das vordergründige Ziel sollte dabei immer sein, dass neben den Nutzungsanforderungen auch die Umgebung samt ihrer bestehenden Gegebenheiten in die Planung einbezogen wird, damit sich am Ende ein stimmiges Gesamtbild ergibt. Wie zum Beispiel im Frankfurter Stadtteil Bonames, bei dem GTL die Aufgabe übertragen wurde, die Flächen eines ehemaligen US-Luftwaffenstützpunktes zu renaturieren. Als Ausgleichsmaßnahme war der Rückbau zu einer Aue vorgesehen. Doch als das Team von GTL das Areal sah, war sofort klar, dass man hier einen anderen Ansatz verfolgen musste.
Anstatt die versiegelten Flächen restlos auf weit entfernte Bauschuttdeponien zu entsorgen, wurden die Betonflächen geschreddert und der Betonbruch in unterschiedlich großen Fraktionen auf dem Gelände belassen, um ein möglichst diverses Standortmosaik zu schaffen, auf dem der Natur ihren Lauf gelassen werden konnte. Heute stehen sie als Lichtungen in einer üppigen Vegetation, die einstige Startbahn dient als Fahrrad- und Skate-Parcours. Im Park finden regelmäßig Veranstaltungen und Feste statt, »Parklotsen« führen Kindergarten- und Schulgruppen sowie Wochenendbesucher über die Flächen, die sich dank der freien Entfaltung von Fauna und Flora zum Naturlabor entwickelten. Der 2004 fertiggestellte Park ist ein Besuchermagnet und zählt heute zu den beliebtesten in ganz Frankfurt, was für Triebswetter Ausdruck der »wachsenden Sehnsucht des Stadtmenschen nach Wildnis und Naturerlebnis« ist.
Der ehemalige Militärflughafen wurde einer gänzlich neuen Nutzung zugeführt und hält zugleich die Erinnerung an dessen Vergangenheit am Leben. Eine geniale Idee, die GTL den Deutschen Landschaftsarchitektur-Preis bescherte. Doch wehrt Michael Triebswetter umgehend ab: »Die Idee war nicht genial, sondern folgerichtig.« Sie fußt auf dem Studium, der »Kasseler Schule« nach Karl-Heinz Hülbusch und Lucius Burckhardt, die der Spontanvegetation schon immer einen hohen Stellenwert eingeräumt hat.
Wie sich eine Vegetation entwickelt und wo welche Pflanzen wachsen, sollte ein Landschaftsarchitekt natürlich wissen. Michael Triebswetter hat dies im Rahmen seines Studiums an der Universität München-Weihenstephan gelernt.
Mit diesen und anderen landschaftsplanerischen Fragen befasst sich Triebswetter aber nicht erst seit Studententagen, seine Leidenschaft für Umweltthemen und Fragen der Nachhaltigkeit wurde bereits in der Jugendgruppe des BUND entfacht. Obwohl Triebswetter das Schlagwort der Nachhaltigkeit eigentlich nicht mag: »Das Thema ist nicht neu und doch aktuell. In der Fachwelt stellte man schon immer die Frage der Nachhaltigkeit, nun ist sie vermehrt in den öffentlichen Fokus gerückt und hat Einzug in den Mainstream gehalten.«
Seine früh erwachte Leidenschaft hat sich der Landschaftsarchitekt bis heute bewahrt: »Auch nach 30 Jahren macht mir der Job jeden Tag aufs Neue noch Freude.« Spaß macht ihm vor allem die Vielfältigkeit seines Berufs. »Unsere Planungsleistungen erstrecken sich über das gesamte Spektrum der Freiraumplanung von städtebaulichen Planungen, repräsentativen Außenanlagen an Verwaltungsbauten über Wohnumfeldverbesserung in Großsiedlungen bis zur Gestaltung von innerstädtischen Projekten wie Fußgängerzonen und Stadtplätzen.
Die Entwicklung von Mobiliar für den öffentlichen Raum sichert die Qualität der Planung auch im Detail«, umschreibt er das weitgefächerte Portfolio von GTL. Dank dieses umfangreichen Leistungsspektrums und den planerischen Ansätzen, die dem jeweiligen Ort auf den Leib geschneidert sind, hat sich das nach wie vor international ausgerichtete Büro längst auch in der Wahlheimat Geltung verschafft. Nicht zuletzt mit der Erneuerung und Umgestaltung der Königsstraße in Kassel, von der bisher die Untere Königsstraße sowie der erste Bauabschnitt der Oberen Königsstraße realisiert sind.
»Es war ein interessanter Prozess in einem völlig ergebnisoffenen Kooperationsverfahren mit den Bürgern«, erinnert sich Triebswetter und betont: »Das Projekt wird mit relativ begrenzten Mitteln umgesetzt, was eine Kunst für sich ist. Denn es müssen nicht immer große Materialschlachten sein, auch einen teuren Granitbelag überzieht nach kurzer Zeit der gleiche Schleier aus Schuhsohlenabrieb und unvermeidbarer Verschmutzung wie bei einem sorgsam ausgesuchten Betonplattenbelag.« Um die durch die Straßenbahn beengten Verhältnisse in der Königsstraße für die Fußgänger aufzuweiten, musste ein neues Beleuchtungskonzept her. In der unteren Königsstraße hängen die ring-förmigen Leuchten bereits, die mit ihrem warmweißen Licht für eine freundliche, auffallend helle Atmosphäre sorgen. »Hier haben alle Beteiligten der Stadtverwaltung und den Stadtwerken einen wirklich tollen Job gemacht«, findet Michael Triebswetter und fügt hinzu, dass in der Kasseler Innenstadt gerade mit Blick auf das abendliche Leben eine tolle Entwicklung zu beobachten sei.
Eine Entwicklung, die aber noch nicht am Ende angelangt ist. Hätte der Landschaftsarchitekt einen Wunsch frei, welches Projekt sollte dann in der Innenstadt als nächstes angegangen werden? »Der Entenanger«, sagt Triebswetter ohne lange überlegen zu müssen. Der zentrumsnahe Platz, dessen Gestaltung noch aus der Zeit der autofreundlichen Innenstädte stammt, habe viel Potenzial und böte eine tolle Situation. »Es ist ein Ort, der gestaltet werden müsste.«
Und wie genau? Michael Triebswetter könnte sich viele Varianten vorstellen, natürlich sollte es etwas Besonderes sein. Wobei das Besondere nicht immer laut und aufdringlich sein muss, es kann auch ganz dezent daherkommen. Der bereits vor einigen Jahren durchgeführte Planungswettbewerb zum Entenanger habe einiges an brauchbaren Lösungsansätzen entwickelt. Wie bei jedem Projekt müssten aber auch hier die Nutzungsanforderungen noch einmal formuliert und Anwohner wie Bürgerschaft mit einbezogen werden. »Es kommt auf den Ort an«, fasst es Michael Triebswetter zusammen. Und auf eine zündende Idee, was man daraus machen kann, denn: »Mancher Ort ist von sich aus schon spektakulär, andere eher unspektakulär. In beiden Fällen braucht es eine angemessene, gute Landschaftsarchitektur.«
Autor: Peer Bergholte